Sonntag, 8. Februar 2009

Buchrezension Nr. 4: Schärfe Deinen Blick - Außergewöhnliche Portraitfotografie


Schärfe Deinen Blick

Außergewöhnliche Portraitfotografie in Kontext, Theorie und Praxis
  • Autor: Roswell Angier
  • Broschiert, 216 Seiten
  • Preis: 39,95 Euro

  • Verlag: Addison-Wesley, München

  • Auflage 1 (26. September 2008)


Einleitung

Gefunden habe ich dieses Werk zufällig bei Amazon bei einer Suche nach interessanten Büchern über Portraitfotografie, die ich mir zum Geburtstag oder zu Weihnachten schenken lassen könnte. In einer Bewertung fand ich die Aussage eines Lesers, dass dies kein gewöhnliches Buch über Portraitfotografie sei, sondern tiefer gehend und nur für den wirklich Interessierten zu empfehlen. Dank dieser Aussage hatte das Buch daraufhin mein volles Interesse geweckt.

Roswell Angier, geboren 1940, ist selber weltweit anerkannter und preisgekrönter Fotograf, Dozent und Künstler mit über 20 Jahren Erfahrung, der seine Bilder in diversen großen Ausstellungen und Sammlungen zeigt und schon andere Bücher veröffentlicht hat.

Hier geht es nicht um Einstellungen an der Kamera, Technik oder Vergleichbares, sondern um das Bild an sich, um Blicke, Augenblicke, Aufbau und Aussage eines Fotos, sowie die Wirkung in jeglicher Hinsicht auf den Betrachter.




Inhalt

Das Buch bietet ein schönes großes Format mit insgesamt 12 Kapiteln. Es werden Bilder von weltweit bekannten Fotografen wie Richard Avedon, Walker Evans, Dorothea Lange, Man Ray, Gerhard Richter, Henri Cartier-Bresson und vielen anderen gezeigt. Aber nicht nur das: Die Fotos werden betrachtet, erläutert, analysiert und es folgen wichtige Hintergründe zum Verständnis. Die Situation des Fotografen, seine Mittel, seine Ausrüstung und die gewünschte Bildaussage werden erarbeitet und dargestellt. Bei vielen Fotos, die ich zum Teil auch schon kannte, "fiel bei mir der Groschen", wie man so schön sagt. Ich bin immer noch fasziniert, welche spannenden, traurigen und vor allem hintergründigen Aussagen von einigen Bildern ausgehen.

Eine wichtige Aussage gleich zu Anfang des Bildes ist die Tatsache, dass sich in jedem Portraitfoto auch in irgendeiner Art und Weise der Fotograf darstellt, seine Präsenz zeigt sich dem Modell gegenüber, vor allem in die Art der Beziehung zwischen beiden.

Es werden viele Eigenschaften von Portraits hinterfragt, z.B. ob in einem Portrait ein Gesicht zu sehen sein muss oder ob das Hauptmotiv immer scharf sein muss. Sicherlich nicht, wird der Leser herausfinden.

Zusätzlich gibt es im gesamten Buch eine Vielzahl von "Aufgaben", die der Leser durchführen soll, um hierbei Aspekte der Portraitfotografie zu erkennen und zu erlernen. Gleich im ersten Fall soll die Arbeitsweise von Richard Avedon nachempfunden werden: Der Leser möge sich ein Modell suchen, es vor der Kamera platzieren und danach ein einstündiges Shooting machen, bei dem 36 Fotos entstehen sollen, ohne das dabei auch nur ein Wort gesprochen wird. Es läuft darauf hinaus, dass eine angenehme oder eine unbehagliche Stimmung entstehen kann - je nach Beziehung zwischen Modell und Fotograf - was sich natürlich auf die Fotos auswirkt. Klingt spannend - ich muss zugeben, dass ich es noch nicht ausprobiert habe.

Weitere Themen, die im Buch bearbeitet werden und auf die ich nicht näher eingehen kann: Streetfotografie, Fotografie von Randgruppen, Zeichen und Blicke in Fotos, Inszenierungen, Figuren in der Landschaft, Reportagefotografie, Fotografieren im Dunkeln, Blitzlicht, Konfrontation, Aus dem Fokus, Voyeurismus, Spiegel, Maskerade und vieles mehr. Ihr seht, da wird es nicht langweilig.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Blick und Blickwechsel

2. Selbstportrait/Kein Gesicht

3. Menschen an den Rand gedrängt: Der Bildrahmen

4. Momentaufnahmen: Ereignisse festhalten

5. Spähen: Voyeurismus und Überwachung

6. Portrait, Spiegel, Maskerade

7. Konfrontation: Mitten ins Ziel

8. Aus dem Fokus: Das verschwindende Subjekt

9. Dunkelheit

10. Blitz!

11. Figuren in der Landschaft: Tableau

12. Kommentare: Die digitale Person

Anhang mit Erläuterungen zu den Themen: Bedienung der Kamera, Belichtung und Belichtungsmessung sowie Blitzlicht.


Pluspunkte

Wie oben bereits erwähnt, kommt das Buch vom Äußeren her in einem schönen großen Format, die Fotos sind groß und qualitativ sehr gut und in Farbe gedruckt (soweit es sich um Farbfotos handelt). Weiterhin werden aussagekräftige Fotos gezeigt von namhaften Fotografen und kein "Schund". Es gibt gute Erläuterungen zu den Fotos und Hintergründe, die sehr interessant geschildert werden und kaum Fragen offen lassen. Die Aufgaben animieren zum Mitmachen und binden den Leser damit voll und ganz in das Buch mit ein. Praktische Tipps und Tricks fehlen aber auch nicht, sowohl während des fließenden Textes, insbesondere aber auch im Anhang. Der Preis (s.o.) geht in meinen Augen voll in Ordnung, zumal das Buch nach dem ersten Lesen auch immer wieder als Nachschlagewerk dienen kann. Viele interessante Zitate von Berühmtheiten runden das Lesen ab.



Minuspunkte

Dies Buch ist nicht so leicht zu lesen wie beispielsweise "Der entscheidende Moment" von Joe McNally. Man muss etwas mehr konzentrieren und mitdenken, somit schließe ich mich der o.g. Aussage an, dass es sich hier um ein Werk (und ich sage ganz bewusst "Werk") handelt, dass nicht jedem Hobbyfotografen zu empfehlen ist, der "nur" schöne Portraits machen und eine Blitzanlage kaufen möchte, sondern nur denjenigen, die auch an Hintergrundwissen, Zusammenhängen und ein wenig Psychologie über Fotos interessiert sind. Ansonsten finde ich keine Minuspunkte.



Zusammenfassung

Ich halte ein umfassendes, anspruchsvolles Buch in den Händen, dass die Portraitfotografie in vielen Aspekten mehr als ausreichend abhandelt. Es macht Spaß darin zu lesen, gelegentlich nachzuschlagen und die guten Fotos zu betrachten, sowie die Hintergründe und Aussagen zu erkennen. Ich verstehe vieles besser als vorher und finde, dass sich meine fotografischen Fähigkeiten in Zukunft eindeutig verbessern werden. Vor allem lernt man etwas über sich, den Umgang mit seinem Modell und zur Aussage seiner Bilder. Empfehlung: Kaufen!

Das Buch wurde übrigens mit "Silber" im Rahmen des Deutschen Fotobuchpreises geehrt.

Keine Kommentare: